Die grösste Basler Bierbrauerei, sucht verzweifelt nach Glasflaschen – und spannt dafür sogar ihre Kundinnen und Kunden ein. Kommt es in diesem Sommer zum Bier-Engpass?
Dieser Aufruf erstaunt: Letzte Woche bat Unser Bier, die grösste Basler Brauerei, in einem Newsletter: «Wenn Sie im Gundeli wohnen oder sonst gerade in der Umgebung sind, bringen Sie uns Ihre Einwegflaschen, die Sie bei Coop oder anderswo im Sixpack gekauft haben.» Die Brauerei könne erst wieder abfüllen, wenn sie genug Glasflaschen habe. Der Grund für den Mangel: Das Vetropack-Werk in der Ukraine sei im Zuge des Krieges stark beschädigt worden und habe die Produktion einstellen müssen. Neue Bierflaschen zu besorgen, sei in der Folge äusserst schwierig geworden.
ie Schweizerinnen und Schweizer trinken rund 52 Liter Bier pro Jahr. In ganz Europa gibt es nirgends so viele Brauereien pro Kopf wie hierzulande. Und in den letzten Jahren ist das Bierbrauen als Hobby förmlich explodiert. Kurzum: Bier ist in der Schweiz wichtig. Das zeigen jedenfalls die vom Schweizer Bier-Verband erhobenen Daten aus dem Jahr 2020. Doch momentan geht es den Brauereien nicht gut. Sie kämpfen mit einem Mangel an Rohstoffen, an Transportmitteln und Chauffeuren; mit den Auswirkungen der Blockade des Suezkanals, der Corona-Krise und des Ukraine-Krieges.
Auf den Preis schaut keiner mehr
Auf Anfrage der «Basler Zeitung» sagt Luzius Bosshard, Geschäftsführer von Unser Bier: «Alle Brauereien suchen momentan Glasflaschen, es gibt einfach nicht genug.» Werde über die Lieferanten gemeldet, dass ein Lastwagen mit den richtigen Flaschen gefunden worden sei, werde die Ware sofort aufgekauft. «Keiner, der ein Angebot bekommt, schaut noch auf den Preis.»
Ähnlich äussert sich Adrian Baumgartner, Geschäftsführer der Kleinbasler Brauerei Ueli Bier, zur Situation: «Es ist viel teurer geworden, Bier zu produzieren.» Baumgartner hat sich einen Jahresbestand an Glasflaschen gesichert, gemäss eigenen Angaben «zu Höchstpreisen». Seine Lieferanten versichern ihm, dass die Ware ankommen wird. «Aber ich traue der Ruhe nicht», sagt er und verweist auch auf den Mangel an Karton für die Sixpacks oder Aluminium für Dosen oder Kronkorken.
Lieferfristen von bis zu acht Monaten
Denn Mangelware sind längst nicht nur Glasflaschen. Die Aluminiumproduktion wurde in China heruntergefahren, und was vorhanden ist, steckt teils in den Häfen fest. Die globalen Lieferketten sind, angetrieben durch die Corona-Pandemie und die harten Lockdowns in China, nicht mehr so zuverlässig, wie sie einst waren.
So schreibt Unser Bier im eingangs erwähnten Newsletter weiter: «Auch die Beschaffung von Flaschenetiketten und von Karton für Sixpacks gestaltet sich sehr schwierig. Was früher umgehend geliefert wurde, hat jetzt Lieferfristen von sechs, sieben und acht Monaten.» Die Ware kommt aus China – und trotz der Öffnung des Shanghaier Hafens vor rund einer Woche dürften sich die Versorgungsengpässe in der Industrie nicht so schnell auflösen.
Eine weitere Sorge der Basler Brauereien ist: Was, wenn sich die Krise zuspitzt und die grossen Händler alles aufkaufen? Bei Feldschlösschen, dem grössten Getränkehändler der Schweiz, winkt man ab: «Wir sitzen alle im selben Boot», sagt Kommunikationschefin Gaby Gerber. Auch Feldschlösschen müsse die Situation wöchentlich neu beurteilen, habe mit dem Ausfall des Vetropack-Werkes in der Ukraine zu kämpfen, klage über Probleme mit den Lieferketten.
«Es gibt in Europa zu wenig Transportmöglichkeiten und zu wenig Lastwagenchauffeure», sagt Gerber. Dieses Problem bestand schon vor den Krisen – und hat sich nun verschlimmert. Eine Beruhigung sei nicht in Sicht. «Für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das eine extrem fordernde Zeit.» Kündigungen habe es keine gegeben.
Geht das Bier aus?
Auf die Frage, ob in diesem Sommer Bier zur Mangelware werden könnte, antworten Feldschlösschen, Unser Bier und Ueli Bier: Nein. Auch wird Bier nicht in unmittelbarer Zeit teurer – Feldschlösschen und Ueli Bier erhöhten ihre Preise erst kürzlich in diesem Frühling.
Ob es zu weiteren Preiserhöhungen kommt, ob die Bierhahnen bald leerlaufen: Das wird sich erst im Herbst zeigen. Dann nämlich, wenn die Ernte vorbei und klar ist, ob auch noch die Braugerste zur Mangelware wird.
Quelle: «Los emol» – der Podcast der «Basler Zeitung»