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Heimatschutz verhindert Neubau wegen dieses Schandflecks

In Liestal BL hätten 80 neue Wohnungen gebaut werden sollen In der Schweiz fehlen Wohnungen. Und wer bauen will, ist schnell von Einsprachen blockiert, teilweise jahrelang. Wie im Fall um den Neubau auf dem Areal der ehemaligen Sprengstofffabrik Cheddite in Liestal BL.

Eigentlich sollten hier Hunderte Menschen ein neues Zuhause finden. Stattdessen ist die Zeit auf dem Areal der ehemaligen Sprengstofffabrik Cheddite in Liestal BL schon vor Jahrzehnten stehen geblieben. Nur eine Katze wühlt sich durch einen Abfallhaufen, als Blick den Stadtpräsidenten Daniel Spinnler (46) vor den ehemaligen Fabrikgebäuden trifft. Der FDP-Mann erklärt: «Es dürfte noch mindestens vier bis fünf Jahre dauern, bis die geplanten Wohnungen gebaut sind.»

Das Problem ist eine Einsprache des Heimatschutzes. Das Verwaltungsgebäude der Fabrik, die hier 1912 mit der Produktion von Sprengstoff und Zündschnüren begann, wurde als schützenswert eingestuft. Dass hier ein Stück Industriegeschichte steht, bestreitet Stadtpräsident Spinnler auch nicht. «Die Stadt und die Eigentümer haben geplant, fünf von sechs der schützenswerten Gebäude auf dem Areal zu erhalten», sagt er. Das heruntergekommene Verwaltungsgebäude soll aber den zehn geplanten Wohnblöcken mit 80 Wohnungen weichen.

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Stadt zieht vor Bundesgericht
Das Kantonsgericht gab den Einsprechern jedoch recht. Im Februar beschloss die Stadt, vor das Bundesgericht zu ziehen. Das dauert Jahre. Bis der Fall entschieden ist, toben sich in der Sprengstofffabrik Sprayer und Jugendliche aus, überall liegt Abfall. «Immerhin ist der Wohnungsleerstand bei uns nicht so dramatisch tief wie in den grossen Zentren», meint Spinnler.

Dass geplante Bauprojekte nicht vom Fleck kommen, ist aber nicht nur in Liestal ein Problem, sondern in der ganzen Schweiz. Es wird immer weniger gebaut. Und was in den urbanen Zentren schon länger Realität ist, wird auch in anderen Regionen zum Problem: Wohnungsmangel und steigende Mieten.

Ringmauer soll zur Geltung kommen – Überbauung verhindert
Beispiele für blockierte Projekte finden sich in der ganzen Schweiz immer wieder. Im Februar wurde in Murten FR der Bau von neun Mehrfamilienhäusern gestoppt. Grund: Ein Gutachten des Bundes will die Parzelle unbebaut sehen, damit Altstadt und Ringmauer zur Geltung kommen – gegen den Willen der betroffenen Gemeinde.

Anderswo in der Schweiz sieht es nicht anders aus. Wenige Tage nach dem Fall in Murten stellt das «Tagblatt» eine «Einsprache- und Verhinderungswut in der Ostschweiz» fest. Und beklagt, wie Anwohner im Rotmonten-Quartier der Stadt St. Gallen versuchen, ein Projekt der Helvetia Versicherungen mit einem Gang durch die Instanzen zu bodigen. 39 Wohnungen und Büros will die Versicherung auf der Wiese neben ihrem St. Galler Hauptsitz bauen. Die Anwohner wehren sich gegen Baumfällungen, die dafür nötig werden, gegen die Tiefgaragen-Einfahrt, die aus Sicht der Einsprecher am falschen Ort geplant ist – sowie gegen drohenden Mehrverkehr im Quartier.

Selbst für Wohntürme auf Industriebrache finden sich Gegner
Andere Beispiele zeigen: Auch wenn Einsprecher am Ende unterliegen, kann das gut und gerne zehn Jahre dauern. Wie im Fall um den altehrwürdigen Gasthof Adler in Knonau ZH. Ein Jahrzehnt dauerte es, bis die letzte Einsprache des Zürcher Heimatschutzes vor der letzten Instanz abgeschmettert wurde. Und der Gasthof, wo einst sogar Napoleon III. übernachtet haben soll, 2021 einem Mehrfamilienhaus weichen konnte. Im Falle des angebauten Tanzsaals waren Regen und Wind übrigens schneller als die Gerichte: Weil das Gebäude akut einsturzgefährdet war, brauchte es 2019 einen Notabbruch.

Ebenfalls Jahre dauerte es, bis in Neuhausen am Rheinfall SH auf einer Industriebrache Hochhäuser mit total 270 Wohnungen im Zentrum der Gemeinde gebaut werden konnten. Obwohl die Neuhauser Bevölkerung dem Projekt bei einer Abstimmung im Jahr 2013 grünes Licht gegeben hatte, haben Anwohnerinnen und Anwohner die Hochhäuser weiter bekämpft – wegen des Schattenwurfs und weil sie sich wegen der Türme ihrer Aussicht beraubt fühlten. Erst 2020 konnte mit dem Bau gestartet werden.

In Liestal soll es nicht so weit kommen, sagt Stadtpräsident Spinnler. «Wir wollen auf dem Cheddite-Areal in die Zukunft gehen.» Zuerst muss aber entschieden werden, wie mit der Vergangenheit umgegangen werden soll.

Artikel von: blick
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